Review: Oberer Totpunkt – Album „Neurosen blühen
Eine Review von der Wetterhexe
Ich gestehe am besten gleich zu Anfang, dass ich von der Band „Oberer Totpunkt“ und neuer deutscher Todeskunst, noch nie was gehört habe. Ich bin aber wie immer, vollkommen offen und neugierig und habe mich also durch diverse Seiten gegoogelt, um rauszufinden was für eine Musikrichtung, meine Ohren gleich vernehmen. Ich sah mich mit Erklärungen, wie Minimal Elektro du Rezitationen (lat. recitatio – „das Vorlesen“) konfrontiert. Die Recherche dauerte diesmal länger, aber genau so mag ich das, mich in eine Review hineinarbeiten. Aber mal eins nach dem anderen, Mininimal Elektro, das sind Elektronik-Arrangements, die sparsam – aber munter klingen. Klänge die auf jeden Fall tanzbar und dancefloortauglich sind, zwar etwas schräg, kantig klingend, dabei können aber auch experimentelle Klänge in den Vordergrund rücken. Die Neue Deutsche Todeskunst (NDT) entstand in der Gothic- und Dark-Wave-Szene und besingt Themen wie: Tod, Vergänglichkeit, verzehrende Liebe, Maßlosigkeit, Religionskritik, Gesellschaftskritik, Wahnsinn und der Verlust von Idealen.
Die Bezeichnung Oberer Totpunkt – kurz OT – die auch auf der Homepage der Band so geschrieben steht – bedeutet: OT bezeichnet den höchsten Punkt, den der Kolben während seiner Auf- und Ab-Bewegung im Zylinder einnimmt: Der Obere Totpunkt ist die Phase vor dem Umkehrpunkt, der Bruchteil vor der chemischen Reaktion.
Das aktuelle Album „Neurosen blühen“ – Zivilisationsängste, ist am 28. April 2017 mit 15 brandaktuellen Tracks erschienen und ist das fünfte Album der Band „Oberer Totpunkt“, die aus Hamburg kommt. Es ist gesellschaftskritisch und legt unverblümt den Finger auf die Stellen, wo es der Gesellschaft weh tun soll.
Bandgeschichte
Voraus gegangen ist dem aktuellen Album, das minimalistische Debüt-Album „10 Grad vor OT“ im Jahr 2007, seinen Nachfolgern „Erde Ruft“ im Jahr 2009, „Stiller Zoo“ im Jahr 2010 und „Desiderat“ im Jahr 2014. Gegründet hat sich die Band 2006 als Duo mit Bettina Bormann (Vocals) und Michael Krüger (Composer an den Drums), live wird „Oberer Totpunkt“ von Angelus R. Bleischwitz (Key, Percussion, Vocals) und Stefan Frost (Gitarre, Bass) begleitet. Gemixt und gemastert wurde ihr neuestes Werk, von dem Musiker und Produzenten Tom Wendt (Skating Dog). Ihre Alben bestechen immer damit, dass es sich um bestimmte Themen handelt; bei den ersten beiden Alben um Presseberichterstattungen und Religion, das dritte Album war von Märchen und Sagen inspiriert, nicht aber ohne den Bezug zur Realität aufrecht zu halten. Alle aber handeln von Grausamkeiten, wie sie nur Menschen verüben können.
Der erste Track „Neurosen Blühen“, ich höre zunächst eine hämmernde, fast aggressive Rockgitarre, kurze Riffs, dann setzt die Synthieorgel ein. Gebannt lausche ich und dann setzt die Stimme von Bettina ein. Ich lausche dem Sprechgesang und dem immer wiederkehrenden Refrain, ich merke wie mir die Worte und der Sound unter die Haut kriechen, bin gebannt und ja – ich glaube das tatsächlich, worüber die Sängerin Bettina da singt – Unser Land in dem die Neurosen blühen. „Warum ich dich getötet habe“ allein der Titel lässt mich erschaudern. Sätze wie „Ignoranz ist ein Tötungsgrund „, „Arroganz ist ein Tötungsgrund“ und „Lamoryanz“ ist ein Tötungsgrund, lassen mich hier gebannt sitzen. Das Ganze wird getoppt, wenn die eiskalte Stimme der Sängerin einsetzt und in mir steigt ein fast unbehagliches Gefühl auf. Die hämmernden und verzehrten Gitarrenklänge, Drums die an Intensität kaum zu überhören sind, all das bildet den Hintergrund für den fast meditativen Refain. Also das Ziel des Songs ist bei mir definitiv erreicht, der Song erreicht mich. Ob ich das was ich fühle aber tatsächlich will, das steht auf einem anderen Blatt. Der Track „ Alltag macht tot“ ist im Gegensatz dazu fast sanft, auf jeden Fall ist er melodischer und tanzbar, der Text ist wieder sehr überspitzt und sarkastisch, weil wir alle in unseren „Alltagen“ gefangen sind. Wenn ich von einem Lieblingssong auf diesem Album spreche, dann ist es dieser hier. Im Track „Nacht in Nassau“ hören wir verhältnismäßig viel Sprechgesang, mir ist das zu viel, ich bin aber nicht entscheidend und der Hörer wird seine eigene Meinung haben.
Fazit
Insgesamt sind es 15 Tracks, die einen unwahrscheinlichen Widererkennungswert haben und die meisten Songs lösen bei EBM- und Gothik-Fans, die auf düsterste Songs stehen, sicher mehr Freude aus, als bei mir. Nichts desto trotz, gibt es von mir volle Punktzahl für diese astreinen Tracks und der absoluten Beherrschung der Instrumente.
Line Up
Lyrik & Vocals, Theremin – Bettina Bormann
Komposition, Drums, Back-Vocals – Michael Krüger
Gitarre & Bass, Back-Vocals – Stefan Frost
Keyboard, Bass, Back-Vocals – Denis Scheither
Guitar and Masterin – Tom Wendt (Skating Dog)
Tracklist
01 Neurosen blühen
02 Warum ich dich getötet habe
03 Alltag macht tot
04 Untergehen
05 Schizophrenie
06 Rattenfänger
07 Wohin geht die Liebe
08 Exquisit
09 15 Bar
10 Allein mit mir
11 Nacht in Nassau
12 Macht
13 Ist dein Leben vorbei
14 Zurück in die Zukunft
15 Zurück in die Zukunft II
Web
Official Website: http://totpunkt.com/
Facebook: https://www.facebook.com/TOTPUNKT/
Label:
Danse Macabre Records